Nach der tollen Erfahrung mit Michael dem Fischer wollte ich wissen, woher mein norwegischer Premiumlachs, geräuchert, für 2,49€ kommt und wie er gezüchtet wird. Also heuerte ich am nächsten Tag auf einer Lachsfarm an.
Am Kai auf der Insel Revøy nahe der Südspitze Norwegens traf ich Åge. Er lebt dort mit seiner Familie und stellte sich als äußerst sympatischer Lachszüchter mit Prinzipien heraus. Zwar kenne ich keine „echten“ industriellen Lachsfarmen, doch seine machte in meinen Augen einen – wie soll ich sagen – deutlich weniger umweltbelastenden Eindruck als die, die ich bei meiner Tour mit Michael gesehen habe.
Ich traf mich morgens am Kai mit zwei seiner Jungs, einer um die 30, der andere bereits in Rente, der sich im Sommer zu seiner Pension etwas dazu verdiente. Ihre Namen haben sie mir genannt, doch nach dem zweiten Nachfragen und nicht verstehen hielt ich es für höflicher, nicht mehr zu fragen. Bevor wir die Farm an sich ansteuerten, beluden wir den Kahn an einer Anlegestelle noch mit tonnenweise Futtersäcken, einigem Werkzeug, das ich kannte, aber vor allem mit solchem, das ich nicht im Entferntesten seiner Verwendung hätte zuordnen können. Ich bekam meinen Ölanzug und – eigentlich keinen Arbeitsauftrag. So konnte ich mich umsehen und u.a. einen Blick in den großen 2x2x2m-Mixer werfen, der am Kai stand. Mir verschlug es den Atem, sowohl wie es innen aussah und wie es roch. Was es war, ahnte ich irgendwie, doch dazu gleich mehr.
Die Fahrt ging unter der Brücke hinaus aus den Fjord, und wie vorgestern war auch dieses Mal das Wetter grandios: Still, gleissendes Licht, der abwechselnde Duft von Fisch, Meer, Wald und Diesel.

Wir unterhielten uns über die Arbeit, Norwegen, die EU, den Euro und über all die vielen nackten, alten Deutschen, die im Sommer die Hütten am Meer besiedelten, die aber kein Norweger sehen möchte. Ich wusste keine Antwort auf die Frage, „warum wir (die?) das taten“, jedoch war das Thema das wohl am ausführlichsten besprochene der ganzen Fahrt!
Die Lachsfarm, die wir erreichten war recht klein, deutlich kleiner als die, die ich in der Magellanstraße in Patagonien auf der Fahrt zur Isla Carlos III zum Whalewatching gesehen habe. Nur drei kleinere Rundnetze, einige Meter auseinander. Jedes Netz wurde einzeln abgearbeitet, nur bei manchen Sachen konnte ich wirklich helfen.
Die Netze sind allesamt trichterförmig und mit Vogelschutznetzen überzogen. Am unteren Ende in etlichen Metern Tiefe gibt es ein Auffangnetz, das als erstes hochgezogen wird. Jeden Tag sterben in den Netzen einige Lachse an Herzversagen, Schwäche, Immunversagen oder auch einfach an Stress. Sie sinken ab und sammeln sich im Auffangnetz. Allein im ersten Netz lagen acht an die 3kg schweren Lachse. Und die landen in dem großen Mixer am Kai, von dem ich eingangs erzählte. Sie werden zermalmt, getrocknet, in Pellets gepresst, nach Dänemark verschifft und verfeuert. Ob das ein Scherz war, weiß ich nicht, aber mein ungläubiges Gesicht sprach Bände.
Mit im Netz lagen auch einige Lippfische, bei denen ich hellhörig wurde. Sie halten in künstlichen Tangwäldern im Netz etliche Lippfische als natürlichen Ersatz für bspw. Medikamente. Lachse ziehen bei verstärktem Parasitenbefall entweder für einige Stunden ins Süßwasser, was die meisten Parasiten tötet. Oder sie ziehen in die Tangwälder vor der Küste. Die dort lebenden Lippfische fressen die Lachslaus direkt von der Fischhaut und reinigen so die Tiere. Eine Symbiose, die sich Åge zu Nutzen macht. Es ist billiger als Antibiotika, schont die Natur und gefährdet keine Lippfische, da sie nur im Habitat versetzt werden und nach der Saison wieder entlassen werden.
Ebenso beeindruckte mich die Fütterungsmaschine, die nur soviel fütterte, wie die Lachse fraßen. Es gibt Aufnahme von völlig zerstörten, zugekoteten und mit faulendem Futter belegtem Meeresboden unter Lachsfarmen. Futter, dass durch den Schwarm sinkt und nicht gefressen wurde, wird auf dieser Lachsfarm hingegen unterhalb wieder eingesaugt. Eine Lichtschranke stoppt die Fütterung, sobald eine gewisse Menge an Futter registriert wird. So verringert die Farm ihre negativen Auswirkungen auf die Umwelt und sicher auch die Kosten der Lachshaltung an sich.
Die Jungs beantworteten bereitwillig meine vielen Fragen und ließen mich das ein oder andere Ding machen, aber im Großen und Ganzen schaute ich vor allem fasziniert zu. Doch was nehme ich von diesem Tellerrand mit?
Was mich beeindruckte war, dass es Menschen gibt, die mit intelligenten Ideen (selbst solchen, die teurer sind als konventionelle Mittel), oder soll ich besser sagen ‚aus Überzeugung‘, versuchen, ihren Einfluss auf die Natur in ihrem Tun so gering wie möglich zu halten. Und das Ganze sogar wirtschaftlich gestalten können. Etwas weiter gedacht schützt er durch sein Tun die überfischten Lachswildbestände und befriedigt mit alternativem Farmlachs unseren Konsum. Ich hatte und habe auch heute immer noch den faden Beigeschmack von Naturzerstörung, überzüchteten Lachsen und Antibiotikaeinsatz im Mund, wenn ich meinen Premiumräucherlachs aus Norwegen konsumiere – ganz darauf verzichten möchte ich hingegen nicht. Jedoch bin ich sehr gerne auch bereit, einen Mehr-€ zu zahlen, wenn ich weiß, dass dieser auch bei Lachsfarmer wie Åge landet.
3. Januar 2017 at 22:52
Cool geschrieben & schön, dass Du beide Seiten drin hast, Kommerz und Tradition.Weiter so!
LikeLike