Zeit bietet Dir den Freiraum, mehr als nur die touristischen Hautziele zu sehen. In meinen sechs patagonischen Monaten entdeckte ich viele versteckte und unerschlossene Kleinodien. Eines möchte ich vorstellen: Die Isla Riesco nahe Punta Arenas.
Eigentlich ist es keine richtige Tour, die ich hier beschreibe, eher einen Ort für diejenigen, die etwas mehr Zeit haben und die Einsamkeit abseits ausgetretener Pfade suchen können – auf Isla Riesco ist sie garantiert! Daher möchte ich hier mehr Bilder als sonst für die Insel und einen Besuch sprechen lassen.
Im Auftrag der Regionalregierung XII (Magellanes) suchten wir am Nord- und Westufer der Insel nach Spuren von Bibern. Das gab uns die Möglichkeit, weiter als die meisten Besucher entlang der Küste vorzudringen, da wir für Touristen meist versperrtes Gebiet passieren durften. Nachdem wir mit der kleinen Fähre die vielleicht 200m zur Insel übergesetzt haben, fuhren wir einige Kilometer an der Küste die Straße entlang. Schnell wurde aus der Schotterpiste eine Schlammpiste, dann eine verschwommene Spur auf weitläufigen Wiesen, um als kaum erkennbarer Weg an einer wohl verlassenen Estancia zu enden.
Die Fahrt hinterließ jedenfalls ein breites Grinsen ob der abenteuerlichen Fahrt durch Flüsse, Schlammlöcher und entlang der Küste :).
Hier bei der Estancia zeigt sich Patagonien wie der Traum eines jeden Aussteigers. Die Kulisse ist einfach unglaublich: sturmgepeitsche See, die schneebedeckten Gipfeln entlang der Küste am Seno Skyring, die vom Wind gebeugten Bäume, eine weitläufige Bucht mit viel natürlichem Strandgut und – um die Idylle perfekt zu machen – der kleine Bach mitten durch die Estancia.
Diese absolute Einsamkeit ist…, ja, ungewohnt und lässt einen schnell in sich kehren und verstummen. Als ob wir fehl am Platz seien und niemanden stören wollen würden, so leise bewegten wir uns anfangs über das Gelände. Allein nur wegen dem diesem Ort habe ich die Insel später ein zweites Mal mit meinen Eltern besucht, wobei meiner Mutter hier mehrfach die Tränen gelaufen sind. Sollte ich also je aussteigen wollen, weiß ich, wohin.
Von hier aus ging es nur noch zu Fuß weiter. Es gab so etwas wie einen Pfad, doch da sich kaum jemand hierher verirrt, verlief sich dieser schnell in der Natur und wurde mehr und mehr zu einer kaum wahrzunehmenden dünnen Schneise im Wald, die einst wohl von Holzfällern geschlagen wurde. Vielleicht daher auch das Auto aus den 50ern?
Nach einem Tagesmarsch ab der Estancia liefen wir mehr oder weniger querfeldein. Dementsprechend langsam kamen wir natürlich auch voran – Flüsse mussten durchwatet, kleinere Bäche über querliegende Bäume gekreuzt und Tümpel umgangen werden.
Ausgehungerte Bremsen in den Hochmooren ließen uns schnell jede Hautpartie bedecken, unsere Stiefel waren trotz Gore-Tex schnell durchnässt, den tiefen Schlammlöchern sei Dank. Der immer wieder einsetzende feine Nieselregen drang durch fast jeden Stoff und forderte unser Material. Spaß klingt für die meisten sicher anders – für mich war das hier Hochgenuss pur und ist es auch heute noch! Doch insgesamt war uns das Wetter wohl besonnen. Hin und wieder belohnte uns die Beere El Calafate mit ihren süßen Früchten oder fanden wir den essbaren Baumpilz Cyttaria espinosae mit seinen gelben Fruchtkörpern.
Wohin der Pfad am Ende führte, weiß ich nicht. Wir campierten an einem kleinen See, von wo aus wir nur noch wenige Kilometer ohne Gepäck am nächsten Tag weiterliefen. Trotz intensiver Suche entlang mehrerer Bäche und Flüsse konnten wir damals keine typischen Spuren wie aufgestaute Weiher oder abgebissene Bäume am Ufer erkennen und gaben Entwarnung. Heute weiß ich, dass der Biber das Festland leider bereits erreicht hat und auch hier entsprechende Spuren hinterläßt.
Tipp: Wer die Insel auf eigene Faust abseits der wenigen Straßen erkunden will, sollte GPS-Telefon und –gerät mit sich führen. Eine Info an die örtliche Polizei an der Fährstation ist Pflicht!
Der Kanadische Biber wurde in Patagonien Mitte des 19. Jahrhunderts in Farmen gehalten, um dem strukturschwachen Land eine Einkommensquelle zu verschaffen: Pelz. Doch natürlich büxten einige der Tiere aus und vermehren sich seitdem dank fehlender natürlicher Feinde. Das Problem: Entlang der Flüsse versinken ganze Wälder in den aufgestauten Weihern. Die niedrige Wachstumsrate der Südbuchen von wenigen Millimetern im Jahr (!) reicht für eine Renaturierung nicht aus. Ganze Habitate bleiben über Jahrzehnte arm an Flora und Fauna. |
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