Anstrengend, lang, spektakulär und eine echte Herausforderung! Das ist die berühmte Watzmannüberschreitung oberhalb des Königssees im Berchtesgadener Land. Die Tour ist auf zwei Tage angelegt, man kann sie aber auch an einem Tag machen.
Das erste Mal habe ich vor sicher 20 Jahren von der Watzmannüberschreitung gehört, als ich im Alpenpanorama meines Vaters blätterte und immer wieder an dieser einen Route hängen blieb. Eine der großen Routen sei sie, nur für geübte und schwindelfreie Bergsteiger. Vor allem solche mit Ausdauer. Zudem bietet sie wunderschöne und beeindruckende Panoramen mit tollen Blicken tief in die Täler außen rum, noch dazu mitten im Nationalpark gelegen.
Mich faszinierten vor allem die besondere Länge der Tour und die Herausforderung, dass es keine Ausstiegsmöglichkeiten auf halber Strecke gibt. Eine Route also, die nur Ganz-Oder-Gar-Nicht zu schaffen ist. Ich fühlte mich körperlich fit, zudem war ich seit einigen Wochen wieder viel am Laufen, sodass ich beschloss, die Tour an einem einzigen Tag zu gehen. 2.700Hm Aufstieg, 22km Länge und 14 Stunden unterwegs sein! Genau das wollte ich.
Der Anstieg
Los geht es unten am Parkplatz an der Wimbachbrücke. Egal ob unterhalb geparkt oder oberhalb der Brücke, gequert werden muss sie in jedem Fall. Der Weg nach oben ist einfach zu finden: Du beginnst entgegen der Fließrichtung immer linkerseits des Wimbachs. Der Anstieg ist ein mit Brechkies gepflegter, nur von Querbalken zum Regenableiten unterbrochener Weg, der sich lang und steil in nur wenigen Serpentinen den Hang hoch zieht. Vorbei geht es an einigen kleinen Hütten, Almen und entspannten Kühen 700Hm bis zur Waldklimastation. Die Bank lädt zum kurzen Verschnaufen ein, denn ab jetzt wird der Weg verblockt, steinig und ist immer wieder mit Wurzeln durchzogen.
Nach einigen weiteren Höhenmetern tritt man aus dem Wald auf die Hochalmwiesen und hat den freien Blick auf das Watzmannhaus und das Hocheck, den ersten Gipfel der Watzmannüberschreitung. Bis zum Watzmannhaus selbst sind es nun noch ca. 30min. Wer die Tour an zwei Tagen machen möchte, kann entweder hier übernachten (Buchung empfehlenswert) oder nach weiteren 3h Aufstieg auf der Mittelspitze in der kleinen Biwackschachtel nächtigen. Der Weg vom Watzmannhaus zum Hocheck führt lange durch Geröllfelder und über blanken, trittfesten Fels. Zwischenzeitlich unterbrochen durch einen kurzen Steig, der noch ohne Klettersteigset zu machen ist, ist der Weg insgesamt gut begehbar.
Die Querung
Das Hocheck ist der erste Gipfel des Watzmannmassivs. Glücklich sind hier oben bereits alle: die, die es bis hierhin geschafft haben und wieder kehrt machen werden. Und die, die noch das Sahnestück der Querung vor sich haben. Der Gipfel gibt einen fantastischen Blick auf die umliegende Bergwelt frei: Spektakulär der Blick gen Osten zum Kleinen Watzmann, auf den Königssee in südöstlicher Richtung und – bei guter Sicht – sogar bis auf die Gletscher des Großglockners und des Großvenedigers im Süden. Ein Alpenpanorama, das man so vor allem von Postkarten und Bildbänden kennt.
Das Hocheck ist der Einstieg in die Gratwanderung, die von allen (!) Bergsteigern, die ich getroffen habe, mit Klettersteig und Helm begangen wird.
Vor Dir liegen nun vier bis sechs Stunden Gratwanderung, auf der Du Dich immer wieder durch die seitlich meist senkrecht abfallenden Steilwände wirklich ausgesetzt fühlen kannst! Der Pfad führt Dich durch Spalten, zwischen Felsblöcken hindurch oder außen herum, hoch und runter über geröllüberzogene Kanten, entlang der Steilwände, aber immer stetig Richtung Mittelspitze und Südspitze.
Auf der Mittelspitze angekommen wird es dann etwas eng, sodass einige der Bergsteiger direkt weiter laufen und ihre Pause später machen.
Schon in Sichtweite ist die Südspitze, die das knackigste Stück darstellt, da der Weg nochmal tief runter geht, um dann steil gen Gipfel zu führen, ohne nicht noch einige Kletterpartien für Dich bereit zu halten. Umso schöner ist es dann, wenn man meint, es geht noch weiter hoch, über die Felskante lugt und urplötzlich auf dem Gipfel steht!
Wir haben es geschafft und genießen den Blick auf die umliegende Bergwelt. Und natürlich den Königssee, St. Bartholomä und den Obersee.
Der Abstieg
Was jetzt kommt, war in meinen Augen der anstrengendste Part. Von der Südspitze gibt es nur zwei Wege: Zurück und die Gratwanderung nochmal machen oder der ellenlange Abstieg hinunter ins Wimbachtal und zurück zum Parkplatz. Letzterer war auch mein Weg, und so begann ich die fast 1.400Hm reinen Abstiegs bis ins Hochtal des Wimbachs.
Der Abstieg führt Dich anfangs südlich mit einigen Kletterpartien entlang des Grades, um dann zwischen den Felsen langsam gen Osten einzuschlagen und Dich in unzähligen Serpentinen steil den Hang hinunter zu führen. Deine Oberschenkel beginnen spätestens hier an zu brennen, Deine Beine und Knien sind weich und Dein Tritt wird unsicher. Noch dazu in der prallen Sonne und zermürbt von den Kilometern, die bereits hinter Dir liegen. Aber hilft alles nichts!
Bald kommst Du am Geröllfeld raus, was nochmal sehr kraftraubend zu queren ist, es sei denn Du „rennst“ im Gleitschritt den Hang runter und machst schnell 100Hm wett. Ein kurzer Spaß, bevor es wieder und wieder in Serpentinen weiter bergab geht. Kurz über Wiesen, nochmal ein Geröllfeld, dann durch eine knackige Rinne. Hört diese auf, schau links in die Rinne und fülle Deine Flasche mit frischem Quellwasser direkt aus dem Felsen auf! Jetzt noch eine ausgewaschene Rinne hinunter, die mehrfach mit einer Stahlkette gesichert ist und dann ab auf die Felsnadel, die plötzlich aus dem Wald heraustritt und vll. 20 m weit ins Hochtal des Wimbach hineinragt und einen fantastischen Blick auf die umliegende Bergkette frei gibt!
Geschafft – das härteste Stück der Tour ist gemeistert!
Der Rückweg
Der Rückweg ist lang, wirklich sehr lang! Wer noch Wille und Kraft hat kann sich an den geologischen Kräften erfreuen, die hier walten: Die weiten Kiesbänke, die ausgerissenen Bäume oder noch stehenden Baumleichen zeugen von schweren Schnee- und Gerölllawinen, die hier noch vor kurzem zerstörerisch gen Tal rasten. Wer Wille, aber keine Kraft mehr hat, läuft einfach stoisch die ca. 10km zurück gen Parkplatz und tankt zwischendurch auf der Wimbachgrieshütte bei einem wohlverdienten Bier wieder auf. Nicht vergessen: Schuhe aus und ab ins Wasser, wenn die Quelle des Wimbachs 2km unterhalb der Hütte das Tal endlich wieder mit Wasser füllt.
Fazit
Einfach fantastisch! Eine wunderschöne, fordernde, beeindruckende und vielseitige Bergtour, die Dich an Deine Grenzen bringen kann – mental wie körperlich! Eine klare Empfehlung!
Ein letztes Wort – Klettersteigset ja/ nein?
Im Internet gibt es etliche Berichte, die sagen, dass die Tour auch ohne Klettersteigset zu machen ist. Doch ich sage klar: Mach die Überschreitung definitiv *mit* Klettersteigset. Einige Stellen sind wirklich knackig, steil bis senkrecht, mal ein schulterbreiter Spalt, mal sehr exponiert mit senkrechten Steilabbrüchen links und rechts. Selbst wenn Du abrutschst und Dich noch irgendwie halten kannst – Dein Kopf wird nicht mehr mitmachen. Zudem bietet Dir Dein Klettersteigset ein zusätzliches Plus an Selbstsicherheit am Fels, sodass Du die Kletterpassagen technisch besser meisterst.
Also – Klettersteigset anziehen und genießen statt zittern! 🙂
4. August 2017 at 16:56
ganz ganz große Achtung von dieser Leistung !!!
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